In der LGBTQ+-Szene haben Pronomen längst eine Bedeutung, die über Grammatik hinausgeht. Sie sind Ausdruck von Identität, Selbstbestimmung und Sichtbarkeit. Wer darum bittet, mit bestimmten Pronomen angesprochen zu werden, will nicht überkorrekt erscheinen – sondern einfach in seiner Identität respektiert werden. Das ist nachvollziehbar und verdient Anerkennung.

Gleichzeitig gehört zu einer offenen, pluralistischen Gesellschaft auch die Freiheit, Sprache unterschiedlich zu empfinden und zu verwenden. Respekt darf nicht heißen, dass wir alle dieselben sprachlichen Wege gehen müssen. Entscheidend ist, dass wir einander zuhören und versuchen, uns zu verstehen – auch dann, wenn unsere Ausdrucksweisen nicht deckungsgleich sind.

Respekt ohne Sprachdogma

Respekt bedeutet, das Gegenüber ernst zu nehmen, nicht jede sprachliche Konvention unreflektiert zu übernehmen. Die Benennung eines Pronomens bestimmt nicht den Wert eines Menschen. Man kann jemanden achten und anerkennen, auch wenn man selbst andere sprachliche Formen bevorzugt.

Wenn jemand etwa sagt:

„Ich bin ein Mann und fühle mich zu Frauen hingezogen“,

dann beschreibt er seine Identität auf seine Weise – vielleicht als heterosexueller Mann, biologischer Mann, der sich zu biologischen Frauen hingezogen fühlt, oder Mann, der sich im eigenen Geschlecht zuhause fühlt und Frauen liebt.

All diese Formulierungen sind gültig. Sie drücken Individualität aus, ohne anderen die eigene Sichtweise aufzuzwingen. Sprache ist hier kein politisches Werkzeug, sondern ein persönlicher Raum, in dem Menschen sich verständigen – manchmal mit unterschiedlichen Begriffen, aber ähnlichen Werten.

Identität als dynamisches Konzept

Anstatt die eigene Identität vollständig von einem Pronomen abhängig zu machen, kann es bereichernd sein, sich unterschiedliche Definitionen zu erlauben – Beschreibungen, die sich für einen selbst richtig anfühlen, auch wenn sie sich im Laufe der Zeit verändern.

Diese Offenheit fördert nicht nur Selbstreflexion, sondern auch Dynamik im Zwischenmenschlichen: Wer sich erlaubt, flexibel über sich zu sprechen, erlaubt anderen dasselbe.

Ein Mann mit klassisch heteronormativer Identität kann ebenso authentisch leben wie eine Person, die sich jenseits binärer Kategorien bewegt. Wichtig ist, dass beide Formen von Identität in ihrer Unterschiedlichkeit respektiert werden – ohne Überheblichkeit, ohne Rechtfertigungsdruck.

Vielfalt aushalten – auch sprachlich

Eine sozialliberale Gesellschaft lebt davon, dass Menschen verschieden sind und diese Verschiedenheit auch sprachlich ausdrücken dürfen. Sie lebt vom Dialog, nicht von Dogmen.

Wir müssen uns nicht in jedem Detail einig sein, um uns gegenseitig mit Würde zu begegnen.

Vielleicht finden wir gemeinsame Ausdrucksweisen, vielleicht nicht. Beides ist Teil einer lebendigen Demokratie, die Menschen erlaubt, sich selbst zu definieren – ohne andere zu bevormunden.

Am Ende zählt nicht, welches Pronomen jemand verwendet, sondern mit welcher Haltung wir einander begegnen.

Sprache sollte verbinden, nicht spalten.